- KUNDENSERVICE
- Häufige Fragen
- Kundenservice kontaktieren
- Kennwort vergessen?
STAMMHEIM. LEBEN. TRAUM
Die Freie Bühne Düsseldorf zählt laut Düsseldorfer Hefte zu den „profiliertesten Theaterensembles Düsseldorfs“ und ihr Leiter und Gründer, der Regisseur, Schauspieler und Autor Lars Krückeberg gilt der BILD-Zeitung als der „kreativste Kopf der Freien Theaterszene der Landeshauptstadt“. Überregionale Bekanntheit erlangte das Ensemble vor allem durch Peter Kürten Superstar (Text & Regie: Lars Krückeberg) und durch Krückebergs Bühnenfassung des Irvine-Welsh-Romans Trainspotting, die nicht zuletzt aufgrund der Besetzung der Hauptrolle mit dem populären Schauspieler und TV-Moderator Ole Tillmann (Top of the Pops) sogar deutschlandweite Beachtung fand. Theater pur bilanzierte seinerzeit anlässlich Peter Kürten Superstar: „Eine Leistung, die derzeit auf der Theaterszene NRW wohl kaum zu toppen ist.“ An diese Erfolge konnte das Ensemble mit seiner letztjährigen Produktion - Die Nacht der Puppen (Text: Fernando Arrabal, Regie: Lars Krückeberg) – nahtlos anknüpfen. Bislang wurde das verstörende Stück in Düsseldorf, Duisburg, Bochum, Essen, Köln und Greifswald gezeigt und erhielt zwei Nominierungen in der Kritikerjahresumfrage von theater pur, dem größten Theatermagazins NRWs. Die Inszenierung war damit eine der erfolgreichsten freien Produktionen der Spielzeit 2006/07 in NRW und steht auch weiterhin auf dem Spielplan der Freien Bühne Düsseldorf (z.B. im Dezember für sechs weitere Vorstellungen im Kölner ARTheater).
Nach den schon genannten Peter Kürten Superstar und Trainspotting, sowie dem Libretto zur Handy Symphonie No.1 (uraufgeführt im Rahmen des 6 Tage Oper Festivals, Musik: Gerhard Haugg) gelangt mit Stammheim. Leben. Traum der nunmehr vierte Bühnentext des Autors zur Aufführung.
DAS STÜCK
Krückeberg arbeitet die Handlung des calderonschen Barockdramas über die Scheinhaftigkeit des Seins - Das Leben .Ein Traum - ein in die Ereignisse jener Nacht, die später als „Die Nacht von Stammheim“ traurige Berühmtheit erlangen sollte.
Der historische Hintergrund: Während die palästinensischen Entführer der „Landshut“ auf dem Flugfeld der somalischen Hauptstadt Mogadishu mit der Sprengung der Lufthansa-Maschine – an Bord befinden sich 86 Geiseln – drohen, befindet sich zeitgleich der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hanns Martin Schleyer, in der Gewalt eines RAF-Kommandos. Beide Aktionen verfolgen ein Ziel: die Freipressung der inhaftierten Führungsköpfe der RAF.
Ort der Handlung ist die Zelle 720 des Hochsicherheitstraktes der JVA Stuttgart-Stammheim; die Zelle, in der eine, infolge der extremen Haftbedingungen psychisch und physisch schwer gezeichnete Gudrun Ensslin gegen die langsame Auflösung ihrer Identität in der Agonie der Isolation anredet – die Gewissheit vor Augen, dass diese Nacht unausweichlich die Entscheidung über Leben und Tod herbeiführen wird. Gedanken, Bilder, Erinnerungsfragmente prallen unvermittelt auf sie ein; Realität und Traum, Zeit und Raum fallen schließlich zusammen.
Auch die Gruppe der mit ihr einsitzenden Mitkämpfer (Andreas Baader, Jan Carl Raspe, Irmgard Möller) bietet keinen Halt – ganz im Gegenteil. Die Beziehung zu Andreas ist gekennzeichnet durch Misstrauen, Eifersucht und die Unfähigkeit Emotionen zu artikulieren. Gruppeninterne Auseinandersetzungen tragen überdies nicht den Charakter kommunikativer Rede, sondern von politischen Phrasen, (Durchhalte-) Parolen, Anweisungen, Drohungen und Befehlen – solchen, die man sich selbst gibt. Und so gleitet Gudrun hinüber in eine selbstgeschaffene Traumwelt, in der ihr Andreas als der calderonsche Prinz Sigismund erscheint, der von seinem Vater, dem König Basilius, aufgrund einer Weissagung, bereits im Säuglingsalter in einen verlassenen Turm gesperrt wurde. Die Prophezeiung verkündet nämlich, dass sich Sigismund, sollte er eines Tages die Macht im Reiche erlangen, als blutrünstiger Tyrann erweisen würde. Die einzige Person, die dem Prinzen während während seiner Isolationshaft im Turm von Zeit zu Zeit erscheint, ist Clotald, der Kerkermeister und engster Vertrauter des Königs – eine Situation also, die Gudruns eigenen Haftbedingungen in ihrem „Turm“ entspricht. Basilius beschließt, seinen Sohn auf die Probe zu stellen: Er läßt dem zuvor betäubten Sigismund an seinen Hof führen und als neuen Herrscher des Reiches ausrufen. Sollte er die Prophezeiung Lügen strafen und sich als gerecht erweisen, so gebühre ihm der Thron. Andernfalls würde er sich im Turm wiederfinden. Sigismunds Scheitern ist unabwendbar, erwacht er doch bereits mit dem Gefühl des Hasses auf den Vater, der ihm, dem Schuldlosen, die Qualen der Turmhaft auferlegt hatte. So wie Gudrun einst in den bewaffneten Widerstand gegen die Vätergeneration gezogen war, die ehedem das dritte Reich ermöglichte oder zumindest nicht verhinderte und später den amerikanischen Aggressionshandlungen in Vietnam gleichsam tatenlos gegenüberstand, so fordert auch Sigismund vom Vater Rechenschaft. Als sich ihm sein Vetter Astolf in den Weg stellt, tötet er diesen im Zweikampf. Das Urteil über Sigismund ist gesprochen; Erinnerungen an das eigene Strafverfahren werden wachgerufen. Sukzessive entgrenzt Krückeberg Gudruns Bewußtseinsebenen bis er seine Protagonistin schließlich mit der schonungslosen Realität konfrontiert: Während Sigismund vom revoltierenden Volk befreit wird, ereilt die stammheimer Häftlinge die Nachricht von der geglückten Erstürmung der „Landshut“ durch die GSG 9. Das Ende ist bekannt. Ensslin, Baader und Raspe verüben Selbstmord; nur Möller überlebt schwer verletzt.
ZUR DRAMATURGIE
Nicht zum ersten Mal wählt Krückeberg für ein Inszenierungsprojekt einen Terrorismus-Stoff. Bereits 2002 inszenierte er Sergi Belbels Das Blut und schilderte auf schockierende Weise die Ohnmacht und Angst einer entführten Geisel ab, die verzweifelt aber vergeblich um ihr Überleben kämpft. In diese Zeit fiel Krückebergs erste intensive Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur zur RAF-Thematik, vor allem mit Austs „Baader-Meinhof-Komplex“. In Stammheim. Leben. Traum stellt er nun die Frage, ob der Staat im Zuge seiner Selbstbehauptung gegen terroristische Angriffe berechtigt ist, die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit zu überschreiten. Die Haftbedingungen der politischen Gefangenen, die Sondergesetze zur Einschränkung der Verteidigung und die skandalöse Führung des stammheimer Prozesses fügten der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Maßstab schweren Schaden zu. Die international Juristenkommission in Genf verglich in ihrem im Dezember 1975 erschienen Bericht die BRD mit der spanischen Franco-Diktatur. Zudem fand die BRD bei Amnesty international offiziell Aufnahme in die Liste jener Staaten, in denen Folter ausgeübt wird. Schließlich gelangte die Internationale Kommission zur Untersuchung des Todes von Ulrike Meinhof in ihrem Abschlussbericht „notwendigerweise [zur] Annahme, dass Ulrike Meinhof aufgrund von Fremdeinwirkung starb“. Die deutsche Öffentlichkeit blieb von alldem weitgehend ohne Kenntnis und die Versuche einer kritischen Auseinandersetzung wurden hierzulande moralisch diskreditiert oder sogar kriminalisiert. Bis zum heutigen Tage sind eine Vielzahl der in den 70er Jahren beschlossenen Sondergesetze nach wie vor in Kraft; mehr noch, vor allem der 1976 geschaffene Paragraph 129a – Bildung einer terroristischen Vereinigung – wird, weit über die ursprünglichen Intentionen hinausgehend, als flexibel einsetzbares und vielseitiges Instrument zur Kriminalisierung, Einschüchterung und Ausforschung verschiedenster Protestbewegungen angewandt, zumal der Nachweis einer individuellen Straftat eines Betroffenen nicht erforderlich ist. So warnte denn auch der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) Anfang 2007 völlig zu recht vor einer schleichenden Erosion der Grundrechte, die mit der Inhaftierung der RAF-Gründer ihren Anfang nahm.
Trotz hoher Authentizität und Genauigkeit im Umgang mit historischen Fakten, begreift sich Stammheim. Leben. Traum nicht vorrangig als historisch-biographische Aufarbeitung des Deutschen Herbstes. Krückeberg bedient sich der historischen Ereignisse, um das zu zeigen, was bislang weitgehend außerhalb des öffentlichen Interesses stand – die Kreatürlichkeit eines Menschen unter den Bedingungen der Folter. Er zeigt in seiner Tragödie – jenseits von Glorifizierung und Dämonisierung – einen Menschen, in einer existenziellen Extremsituation: die Konfrontation der Sterbenden mit dem nahenden Tod. Gudrun stemmt sich durch „Konzentration auf den Widerstand“ gegen den schleichenden Prozeß der Auflösung ihrer Persönlichkeit, um ihren bereits beschlossenen Suizid als Akt selbstbestimmten Handelns ausdeuten und legitimieren zu können.
DAS ENSEMBLE
Sämtliche Rollen im Stück tragen die ursprünglichen, calderonschen Rollenbezeichnungen. Zum leichteren Verständnis finden sich hier die Schlüssel angefügt.
Carolin Schmitten – Gudrun
Die Absolventin der Arturo Schauspielschule in Köln war Mitbegründerin des Ensembles. Sie debütierte am Düsseldorfer Schauspielhaus als Tänzerin in Krückebergs Inszenierung von Tanz, Technik (Text: Thomas Böhme). Mit Peter Kürten Superstar und Das Blut folgten weitere gemeinsame Projekte. Neben ihrer hochgelobten Verkörperung diverser Rollen in Peter Kürten Superstar erlangte Schmitten vor allem Beachtung in der Titelrolle in Christian Scholzes Kreisler-Inszenierung Heute Abend: Lola Blau und am Theater Kohlenpott, unter der Regie von Willi Tomzcyk, als Sunday in Die meistfotografierteste Scheune der Welt (Text: Ralf N. Höhefeld). Mit ihrer letzten Rolle - Mascha in Vladimir Sorokins Hochzeitsreise (Regie: Svetlana Fourer, ARTheater Köln) – wird Schmitten zudem in Kürze im Rahmen des Heidelberger Theaterfestivals gastieren.
Michael Krone – Basilius (Vater Ensslin, Theodor Prinzing)
Für die Rolle des „Basilius“ konnte Krückeberg keinen Geringeren als den bekannten Bühnen-Schauspieler Michael Krone gewinnen. Krone debütierte 1969 am Landestheater Detmold. Weitere Landes- und Stadttheaterstationen waren Reutlingen, Münster, Tübingen, Dortmund und Wittenberg. Zwischen 1983.1993 war er Ensemble- Mitglied, Regisseur und Mitglied der Theaterleitung der Ruhrfestspiele Recklinghausen, zwischen 1999-2004Schauspieler und Geschäftsführer des renommierten internationalen „Roma Theater Pralipe“. Wichtige Rollen seiner langen Theaterkarriere waren der Nathan in Lessings Nathan der Weise, Relling in Ibsens Die Wildente und Mecky Messer in Dario Fos Die Oper vom grossen Hohngelächter. Derzeit steht Krone zudem als Sam Fox in Romance in D von James Sherman (Regie: Thomas Luft) auf der Bühne des Theaterlust in München.
Daniel Wandelt – Kerkermeister Clotald (Alfred Klaus)
Wandelt gehört seit 1996 dem Ensemble des Kammerensemble Neuss an. Seine bekanntesten Rollen waren dort Claudio aus Viel Lärm um Nichts (Regie: Serdar Somuncu), Ferdinand in Der Sturm (Regie: Marek Wrobel), Dr. van Helsing in Dracula und Kreon in Antigone (jeweils unter der Regie von Serdar Somuncu).
Claudia Dalchow – Rosaura (Ulrike Meinhof)
Nach ihrer Ausbildung bei Prof. Christoph Hilger und Bettina Dorn (Potsdam und Köln), sowie bei dem berühmten Schauspiellehrer John Costopoulos (Actors Studio, New York), bei dem bereits unzählige Hollywoodgrössen ihr Handwerk gelernt haben, debütierte Dalchow in Bettina Dorns Inszenierung von 'rübergemacht (Text: Anne Dorn). Euphorische Kritiken erhielt sie danach als Mutter/Lys in Krückebergs Die Nacht der Puppen-Inszenierung. Für diese Rolle erhielt sie eine Nominierung als beste Nachwuchsschauspielerin in NRW anlässlich der Kritikerjahresumfrage 2007 von theater pur.
Komplettiert wird die Besetzung durch Sven Köpnick (mehrjähriges Ensemble-Mitglied des Schilda-Theaters Oberhausen, Peter Kürten Superstar und Die Nacht der Puppen) als Astolf (vage an Klaus Rainer Röhl erinnernd), den TV-Schauspieler Christian Stock (zuletzt in einer Episodenrolle in Alles was zählt zu sehen) als Clarin (Jan-Carl Raspe) und Beate Söhngen als Estrella (Irmgard Möller).
DER REGISSEUR
Seit Jahren steht Krückebergs Name für ein äußerst intensives Bewegungstheater von großer Expressivität und strenger Form. Auf zumeist leergeräumter Bühne sucht er stets die Unmittelbarkeit der Wirkung auf sein Publikum, und stets haftet seinen Inszenierungen etwas Alptraumhaftes an, dem sich der Betrachter schwer entziehen kann. Treffend beschrieb es die Rheinische Post, indem sie feststellte, dass Krückeberg „seine Zuschauer auf eine Achterbahn-Fahrt der Gefühle mit[nimmt]“, um sie schließlich „nachdenklich, schockiert und ergriffen zurück [zu lassen]“.
Krückeberg begann seine Theaterlaufbahn als Schauspieler am Bernhard-Theater Zürich, dessen Ensemble er zwischen den Spielzeiten 1989/90 und 1996/97 angehörte. Zeitgleich wirkte er immer wieder in zahllosen Tournee-Produktionen – unter anderem für das Scala-Theater Basel, das Wiener Operetten-Theater, das Junge Ensemble Düsseldorf und das Kinder- und Jugendtheater Zürich – mit. 1995 erlangte er erstmals größeres Aufsehen als Vergewaltiger „Raul“ in Torsten Wisotzkys Extremities-Inszenierung. Seit Ende der 90er Jahre wandte sich Krückeberg verstärkt der Regietätigkeit zu und übernahm Hospitanzen sowie Assistenzen, unter anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus und für das Theater Kontra-Punkt. Schließlich gab er 1999 mit der Uraufführung von Tanz, Technik sein Regie-Debüt. Die NRZ urteilte seinerzeit, dass „...[seine] hervorragende Regiearbeit...zu verdient-begeistertem Applaus und Standing Ovations führte“. Es folgten Peter Kürten Superstar, Das Blut, Trainspotting und „Die Nacht der Puppen“. Auch als Schauspieler betätigt sich Krückeberg noch immer: so war er 2007 in Ulrich Fleischers Kinofilm Bloodbound als „Claas Vanuiben“ zu sehen .Zudem sprach er unlängst für die neueste Hörspiel-Produktion von half past selber schuld – letztjährige Preisträger des Kulturpreises der Stadt Düsseldorf – Abwärtsbunker die Rolle des „K.“ ein. Aktuell unterrichtet Lars Krückeberg am Zentrum für Schauspiel und Film in Köln Rollenarbeit.
TERMINE
Mittwoch, 19.11.2008 (Premiere)
Donnerstag, 20.11.2008
Freitag, 21.11.2008
Samstag, 22.11.2008
Sonntag, 23.11.2008
Dienstag, 25.11.2008
Mittwoch, 26.11.2008
Donnerstag, 27.11.2008
jeweils 19:30 Uhr
Theatermuseum
Jägerhofstr.1 im Hofgärtnerhaus
40479 Düsseldorf
Dauer: ca. 2 Stunden
Preise: 15,- / 10,- (ermäßigt) / 5,- (für ALG2-Empfänger)
Karten: täglich außer Montags, 13:00 – 20:30 im Theatermuseum
Tel.: 0211/8996130
über die Ticket-Hotline der Freien Bühne Düsseldorf
täglich 0:00 – 24:00, Tel.: 0211/5471845